PhD thesis – Patrick Levi
Patrick Levi
On the Influence of Thermal Fluctuations on Polymer Bundles, Liquid Vapor Interfaces and Biochemical Processes [Full text via OPUS]
finished 2008-12
supervised by Klaus Mecke
Thermische Fluktuationen spielen bei weicher und biologischer Materie eine entscheidende Rolle: sie bestimmen u.a. die Konformationen von Makromolekülen, sie renormieren Grenzflächenenergien thermisch aufgerauter Phasengrenzen und sie können dynamische Vorgänge wesentlich beschleunigen, z.B. die Hydrodynamik nanoskopischer Flüssigkeitsfilme. Zahlreiche Fragen zu thermischen Fluktuationen sind allerdings auf molekularer Skala noch nicht geklärt und die drei folgenden Probleme sind dafür gute Beispiele:
(i) Die analytische Behandlung von sterisch eingeschränkten Fluktuationen ist ein zentrales methodisches Problem in der Statistischen Physik, da die räumliche Begrenzung von fluktuierenden Makromolekülen oder Membranen nicht durch eine Gaußsche Feldtheorie beschreibbar sind. Die Entwicklung von effektiven Näherungsverfahren ist daher ein notwendiger erster Schritt zum Verständnis von Polymerbündeln oder gebundenen Membranen.
Im Rahmen des so genannten ‚wormlike chain model‘ gelingt es Patrick Levi, in einer anspruchsvollen analytischen Rechnung die Verteilungsfunktion der Endabstände eines Polymers exakt in einem harmonischen Potential auszurechnen (siehe Gl. (1.24)). Zudem konnte er zeigen, dass experimentelle Daten von Aktin-Filamenten hervorragend durch sein Ergebnis beschrieben und dadurch die Persistenzlänge von Aktin genau bestimmt werden konnten (siehe Fig. 2.2). Das Modell erlaubt es auch, die Wechselwirkungen von Filamenten in einem Bündel zu berücksichtigen und die Abhängigkeit der statistischen Konformationseigenschaften von den Bindungsmolekülen zu bestimmen (Kapitel 3).
(ii) Erstaunlicherweise ist selbst die mikroskopische Struktur einer einfachen flüssig/gas Grenzfläche trotz intensiver Forschung nach wie vor nicht geklärt. So ist sogar die Definition einer fluktuierenden ‚Fläche‘ bei vorliegender Teilchenkonfiguration einer Simulation ein Thema kontroverser Diskussionen, da u.a. die Werte der numerisch bestimmten Oberflächenspannung und Biegeenergie starkt von ihr abhängt.
Herr Levi schlägt nun eine Definition vor, die das Dilemma lösen könnte. Im Gegensatz zu der ‚Local Gibbs-Dividing Surface‘ und der ‚Pivot-Grenzfläche‘ argumentiert er, dass die Kenntnis der Teilchenpositionen zu einem Zeitpunkt nur die Definition einer Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Position der Grenzfläche erlaubt, nicht aber einer einzigen tatsächlichen Grenzfläche. Im Kapitel 9 demonstriert er, dass diese Methode funktioniert und ähnliche Ergebnisse liefert wie die ‚Gibbs-Dividing Surface‘ (siehe Fig. 9.8).
(iii) Metabolische Prozesse in Zellen werden üblicherweise durch deterministische Ratengleichungen beschrieben, obwohl die zugrunde liegenden chemischen Reaktionen z.B. durch die stochastische Brownsche Bewegung der Enzyme in der Zelle beeinflusst werden. Die Systembiologie versucht daher ganze Zellen zu verstehen und nicht nur einzelne chemische Reaktionen.
Die Theoretische Physik steht dabei vor der Herausforderung, statistische Modelle und Näherungsverfahren zu entwickeln, um den Einfluss thermischer Fluktuationen auf biophysikalische Prozesse beschreiben zu können.