PhD thesis – Boris Breidenbach
Boris Breidenbach
Scalar and tensorial Minkowski functionals of spatially complex structures [Full text via OPUS]
finished 2007-05
supervised by Klaus Mecke
Dreidimensionale räumliche Strukturen kondensierter Materie sind durch moderne bildgebende Verfahren wie Röntgen-Tomographie oder konfokale Mikroskopie auf vielen Längenskalen zugänglich. Die beobachteten Strukturen zeichen sich oft durch eine überraschend vielfältige Geometrie aus, die von periodischen Minimalflächen in Blockcopolymerphasen, über zelluläre Schaumstrukturen bis zu netzwerkartigen Verstrebungen von Aktinfilamenten in biologischen Zellen reicht.
Die theoretische Physik steht daher vor der Herausforderung, mathematische Methoden zu entwicklen, um solche Strukturen geometrisch beschreiben zu können und diese mit physikalischen Eigenschaften in Verbindung zu bringen.
Die bemerkenswerten elastischen Eigenschaften von Hölzern und Nussschalen beruhen z.B. auf anisotropen Faserbündeln mit komplexen Porenstrukturen. Und die Farbe von Schmetterlingsflügeln entsteht manchmal durch ihre mikroskopische Strukturierung.
In der Natur sind offensichtlich in einem langwierigen Evolutionsprozess physikalische Eigenschaften von kondensierter Materie optimiert und ein Reichtum von Funktionalitäten durch Strukturierung hervorgebracht worden, die heute nur ansatzweise verstanden sind. Durch ein intelligentes biomimetisches Design von Werkstoffen sind daher in Zukunft wesentliche Impulse in den Ingenieur- und Materialwissenschaften zu erwarten. In modernen Katalysatoren werden mittlerweile netzwerkartige Strukturen nanoporöser Materialien genauso genutzt wie in Brennstoffzellen oder bei Leichtbaumaterialien.
Der starke Einfluss der Geometrie dieser Strukturen z.B. auf Diffusionskonstanten von Fluiden, Elastizitätsmodule von Verbundmaterialien oder Leitfähigkeiten von Metallen ist dabei zentral genutzt, aber weitgehend unverstanden.
Ob es fundamentale Struktur-Eigenschafts-Beziehungen im Sinne physikalischer Gesetzmäßigkeiten überhaupt geben kann, oder ob nicht vielmehr die Komplexität der Erscheinungen eine systematische Herangehensweise unmöglich macht, ist durchaus eine berechtigte Frage. Um diese Frage beantworten zu können, ist eine quantitative Charakterisierung und Modellierung beobachteter Strukturen unabdingbar. Im Unterschied z.B. zu medizinischen Bildgebungsverfahren muss eine physikalische Grundlagenforschung dabei auf mathematisch präzise und kontrollierbare Verfahren mit höchster Auflösung achten. Mathematisch zeichnen sich die beobachteten räumlichen Strukturen oft durch nichttriviale Topologien, stochastische Metriken und Minimaleigenschaften von geometrischen Funktionalen aus. Solche Eigenschaften spielen u.a. auch ein Rolle in der Theorie von Zufallsflächen und Feldern; bis hin zu Phänomenen der Quantengravitation. Das Studium der Geometrie von Gaußschen Feldtheorien und anderen Modellen für stochastische Geometrien trägt daher nicht nur zu einem besseren Verständnis komplexer Biomaterialien bei, sondern ist eine zentrale Aufgabe der theoretischen Physik.
In der Arbeit von Herrn Breidenbach wurden
- neue tensorielle Funktionale entwickelt, die vor allem Anisotropien in räumlich komplexen Strukturen quantitativ charakterisieren kann;
- diese Tensormaße analytisch oder numerisch für stochastische Modelle anisotroper Geometrien bestimmt;
- mit Hilfe dieser Funktionale experimentelle Daten untersucht und mit Modellrechnungen verglichen.
Als Anwendungsbeispiele dienten Tomographiedaten biologischer Materie wie Hölzer oder Nussschalen, wo Anisotropie eine oft beobachtete geometrische Eigenschaft ist.